Wunsch und Wirklichkeit
Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen, wenn sie das Unternehmen verlassen. Dieses sollte nicht nur die Aufgaben enthalten, sondern auch Leistungen und Sozialverhalten wohlwollend bewerten. Wie genau das auszusehen hat, darüber kommt es oft zu Streitigkeiten. traumjob.jetzt stellt die aktuelle Rechtslage vor.
Ab wann besteht überhaupt ein Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis? Wer sollte das Zeugnis ausstellen und unterschreiben? Was bedeutet das Anrecht auf ein wohlwollendes Zeugnis? Dürfen Elternzeit oder Teilzeit erwähnt werden? Derartige Fragen stellen sich tagtäglich tausenden von Jobwechslern und ehemaligen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Deutschland.
Die Gesetzgebung hat diese Fragen nicht abschließend geklärt, sondern mit § 109 der Gewerbeordnung (GewO) lediglich allgemeine Leitlinien vorgegeben. Etwa, dass Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis mit Angaben zu „Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis“ haben. Und dass „das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein“ muss.
Das hört sich erst einmal einfach an – soweit die Theorie. Doch in der Praxis kommt es immer wieder zu Streitfällen. Dann ist es Aufgabe der Arbeitsgerichte, das Recht im jeweiligen Einzelfall auszulegen und auch grundsätzliche Richtlinien abzuleiten. Dabei sind die Landesarbeitsgerichte oft anderer Auffassung als das Bundesarbeitsgericht (BAG), das in letzter Instanz die Urteile von allgemeiner Bedeutung spricht.
Ein fristgerecht entlassener Arbeitnehmer hat nicht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, sondern schon an seinem tatsächlichen letzten Arbeitstag Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugniszeugnis – und nicht nur auf ein vorläufiges Zwischenzeugnis. Das gilt auch dann, wenn noch ein Rechtsstreit über die Kündigung läuft. (Urteil des BAG vom 27.02.1987, 5 AZR 710/85. [4])
Soweit die juristische Auslegung. In der Praxis deutet ein früheres Ausstellungsdatum im Arbeitszeugnis allerdings auf eben solche Streitigkeiten hin, weshalb eine exakte Datierung zum Ende des Monats der offiziellen Kündigungsfrist zu bevorzugen ist.
Grundsätzlich gilt, dass ein Arbeitszeugnis auf Firmenpapier ausgestellt sein muss und Name und Funktion im Briefkopf dem persönlichen Unterzeichner entsprechen sollten. Wer sollte nun aber überhaupt unterschreiben? Der direkte Vorgesetzte, der Abteilungsleiter oder die Personalabteilung?
Gemäß BAG muss das Arbeitszeugnis von einer Person unterschrieben werden, die aus Sicht eines Dritten geeignet ist, den Arbeitnehmer auch tatsächlich fachlich und persönlich beurteilen zu können – und das ist in der Regel der direkte Vorgesetzte. War der Arbeitnehmer der Geschäftsleitung unterstellt, so ist das Zeugnis von einem Mitglied der Geschäftsleitung auszustellen (BAG vom 04.10. 2005 - 9 AZR 507/04).
Wenngleich es insbesondere bei Behörden Bestrebungen nach Rechtssicherheit und Arbeitsreduzierung gibt, sind interne Regelungen, die eine Unterschrift etwa durch die Personalabteilung vorsehen, nicht rechtskräftig, so der Urteilsspruch des BAG vom 4.10.2005 (s.o.): Auch im öffentlichen Dienst ist der Zeugnisanspruch eines Angestellten nur dann erfüllt, wenn das Zeugnis von einem ranghöheren Bediensteten unterschrieben ist.
Eine Elternzeit darf grundsätzlich nicht im Arbeitszeugnis erwähnt werden – es sei denn, es handelt sich um „eine wesentliche tatsächliche Unterbrechung der Beschäftigung“ (Urteil des BAG vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04. [4]). Das ist dann der Fall, wenn bei ihrer Nichterwähnung ein falscher Eindruck bezüglich der Arbeitsleistung entstehen könnte. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Arbeitsdauer insgesamt kürzer als die Elternzeit war.
Auch die Regelungen zur Erwähnung von Teilzeitbeschäftigung im Arbeitszeugnis lassen Spielraum zu: So heißt es, wenn der Arbeitsumfang eines Mitarbeiters deutlich unter dem einer Vollzeitstelle liegt, müsse dies im Zeugnis erwähnt werden. Bei sogenannten „vollzeitnahen Teilzeitstellen“ wiederum sollte er nicht erwähnt werden. Faustregel: Beträgt die Arbeitszeit mindestens 80 Prozent, so muss dies nicht im Zeugnis erwähnt werden. Bei einer 40 Stunden-Woche würden 32 Stunden also gerade noch als „vollzeitnah“ gelten.
Hier liegt der Teufel im Detail. Denn sowohl ein zu frühes und auch ein zu spätestes Datum gelten bei Bewerbungen als geheime Warnung für den potenziellen neuen Arbeitgeber: Ist ein Arbeitszeugnis deutlich später als das Ausscheiden aus dem Unternehmen ausgestellt worden, gilt dies als Hinweis auf Streitigkeiten bei der Zeugnisausstellung oder gar auf einen Rechtsstreit bezüglich der Kündigung selbst. Wurde es weit vor dem offiziellen Ausscheiden und dazu noch zu einem krummem Datum verfasst, könnte das sogar als eine fristlose Kündigung gedeutet werden. Auf der sicheren Seite ist der Arbeitnehmer folglich nur mit dem üblichen Austrittsdatum zum 30. oder 31. eines Monats – das lässt dann auch keine Spekulationen bei Bewerbungen offen.
Deshalb ist selbst ein auf Wunsch des (ehemaligen) Arbeitnehmers im Nachhinein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren – sofern die verspätete Ausstellung nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist. (Urteil des BAG vom 09.09.1992, 5 AZR 509/91. [4])
Trotz Internet und Digitalisierung gilt immer noch: Nur das Arbeitszeugnis auf Papier mit Originalunterschrift ist rechtskräftig. In den Leitlinien (§ 109 GewO) heißt es unter (3) „Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“ Dennoch ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, es postalisch zu versenden, sondern kann den ehemaligen Arbeitnehmer bitten, es abzuholen.
Viele Arbeitgeber verzichten auf die Zustellung des Arbeitszeugnisses in einem DIN-A-4-Umschlag und falten es, um Portogebühren zu sparen. Oder sie verwenden einen DIN-A-4-Umschlag ohne Verstärkung und der Postbote knickt den Umschlag, um ihn in einen zu kleinen Briefkasten zu zwängen. Das ist ärgerlich, wollen potenzielle Arbeitgeber, bei denen man sich später damit bewirbt, doch faltenfreie Bewerbungsunterlagen auf blütenweißem Papier beziehungsweise einwandfreie PDF und Scans.
Hier hat das BAG wie folgt entschieden: Der Arbeitgeber darf das Zeugnis zweimal falten, um es in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen – sofern das Originalzeugnis kopierfähig bleibt und die Knicke im Zeugnispapier sich nicht auf den Kopien abzeichnen (Urteil des BAG vom 21.09.1999, 9 AZR 893/98. [4]). In der Praxis dürfte das wohl heißen: Lieber gleich in den DIN-4-Umschlag investieren!
Tatsächlich kann auch das passieren: „Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses unterliegt, wie jeder schuldrechtliche Anspruch, der Verwirkung“, heißt es im BAG-Urteil vom 17.02.1988, 5 AZR 638/86. [4]). Allerdings kann dieser Fall nur eintreten, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber weder zeitnah um ein Zeugnis gebeten hat, noch nach dem Ausbleiben des Arbeitszeugnisses daran erinnert hat.
Dasselbe gilt für den Anspruch auf Nachbesserung, dieser kann noch früher verwirkt werden, wenn die Arbeitgeber oder Richter davon ausgehen, dass kein ernsthaftes Interesse vorlag oder bekundet wurde. Als „Verwirkung“ wurde bislang beispielsweise „Untätigkeiten“ seitens der Arbeitnehmer von10 bis 15 Monaten eingestuft.
Nicht selten schleichen sich Rechtschreibfehler in das Arbeitszeugnis ein oder es werden noch Ergänzungen oder Änderungen vom Arbeitnehmer gewünscht. Hier hat das BAG geurteilt, dass „ein Arbeitgeber, der das Zeugnis auf Wunsch des Arbeitnehmers neu ausstellt, an seine bisherige Verhaltensbeurteilung gebunden ist, soweit keine neuen Umstände eine schlechtere Beurteilung rechtfertigen“ (Urteil des BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 352/04. [4]).
Ebenso gilt die „Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses“: Hat der Arbeitgeber bereits ein Zwischenzeugnis erteilt, ist er an den Inhalt gebunden, wenn er ein Endzeugnis erteilt. Dies gilt auch, wenn das Unternehmen den Besitzer (Betriebsveräußerer) gewechselt hat (Urteil des BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07. [4]).
Anspruch auf ein Zwischenzeugnis liegt immer dann vor, wenn der direkt Vorgesetzte wechselt, dem der Angestellte über mehrere Jahre unmittelbar fachlich unterstellt war (Urteil des BAG vom 01.10.1998, 6 AZR 176/97. [4]). Allerdings empfiehlt es sich, auch dann um ein Zwischenzeugnis zu bitten, wenn man selbst die Abteilung oder das Aufgabengebiet wechselt. In der Regel werden Arbeitgeber auch dafür Verständnis haben.
Ein Arbeitszeugnis muss wohlwollend formuliert sein und darf das berufliche Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren, so die Leitlinie des BAG. Schließlich müssen die Zeugnisse bei Bewerbungen stimmen, um den künftigen Arbeitgeber zu überzeugen.
Dass Arbeitnehmer in Deutschland deshalb einen generellen Anspruch auf Dank, Bedauern und gute Wünsche in der Schlussformel haben, ist allerdings ein Mythos. Dass hat das BAG in seinem Urteil von 2012 noch einmal bestätigt: „Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt, dessen Ausscheiden bedauert oder ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. [...] Auch wenn in der Praxis, insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, häufig dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt wird, kann daraus mangels einer gesetzlichen Grundlage kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel abgeleitet werden“ (Urteil des BAG vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11 [4]).
Ebenso steht dem Arbeitnehmer auch keine „sehr gute“ oder „gute“ Leistungsbewertung zu. Obwohl in Deutschland immer mehr Gefälligkeitszeugnisse mit „stets zur vollsten Zufriedenheit (Note 1) oder „stets zur vollen Zufriedenheit“ (Note 2) ausgestellt werden, gilt gemäß aktueller Rechtsprechung noch immer, dass ein Arbeitszeugnis mit der Note 3 („zur vollen Zufriedenheit“) im Mittelfeld liegt und noch als „wohlwollend“ einzustufen ist. Begründung: Gefälligkeitszeugnisse sind kein Maßstab, die reale Leistung zählt (Urteil des BAG vom 18.11.2014, 9 AZR 584/13. [4]).
Ja, denn das so genannte „beredte Schweigen“ ist im Arbeitszeugnis nicht erlaubt: Wenn es für einen bestimmten Beruf oder in der Branche üblich ist, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers im Zeugnis zu erwähnen, so gilt das Weglassen als versteckter Hinweis dafür, dass der Arbeitgeber seinen ehemaligen Arbeitnehmer in den ausgelassenen Punkten nur als durchschnittlich bis schlecht einstuft. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch darauf, dass ihm ein ergänztes Zeugnis erteilt wird. Dies gebieten die Grundsätze von Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit. (Urteil des BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07 [4]).
Hierzu gibt es verschieden Rechtsprechungen. Als Faustregel gilt: Für die Richtigkeit einer eindeutig nachteiligen Leistungsbeurteilung ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Hat der Arbeitgeber aber eine gut durchschnittliche Gesamtleistung bescheinigt, hat der Arbeitnehmer zu beweisen, die eine bessere Schlussbeurteilung rechtfertigen sollen.
Und nach neuerer Rechtsprechung des BGH gilt eben schon ein „zur vollen Zufriedenheit“ (Note 3) als gut durchschnittlich und angemessen. Von der Note 2 oder oder gar 1 muss der Arbeitnehmer das Gericht in einem Rechtstreiterst mit stichhaltigen Nachweisen überzeugen. Ein solcher Nachweis könnte etwa ein Zwischenzeugnis sein, das bereits bessere Leistungen bestätigt hat.
Eigentlich dürften versteckte Negativklauseln und geheime Codes gar nicht im Zeugnis stehen. Das gebietet der Grundsatz, dass das Zeugnis klar und verständlich sein muss. Dürften – denn leider sieht die Realität anders aus: Scharen von Juristen und Zeugnisauswertungsinstituten haben sich auf die Interpretation der Personalersprache in Zeugnissen und die Vertretung ihrer Mandanten vor Gericht spezialisiert. Dabei ist schon in den Leitlinien (§ 109 GewO [3]) festgelegt, dass Zeugnisse „keine Merkmale oder Formulierungen enthalten dürfen, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.“
Die Zeugnissprache von Personalverantwortlichen und Juristen hat sich über Jahrzehnte entwickelt und folgt ihren eigenen Regeln: Wenngleich das Adjektiv „voll“ wie auch „rund“ und andere laut Duden nicht vergleichsfähig ist und nicht mit am „vollsten“ gesteigert werden kann, so bleibt es im Zeugnis bei dem kleinen Unterschied: Nur stets zur "vollsten" Zufriedenheit entspricht einem „sehr guten“ Zeugnis. Allerdings gibt es für Sprachliebhaber auch korrekte Varianten wie etwa Ihre Leistungen waren stets sehr gut“.
Einerseits muss der Arbeitnehmer mit einem wohlwollenden Zeugnis einen guten Eindruck beim Arbeitgeber machen können, andererseits hat auch der neue Arbeitgeber einen Anspruch darauf, wahrheitsgemäß über Leistung und Verhalten des Bewerbers informiert zu werden.
Das Zeugnis muss also alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. Einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind – seien sie für ihn vorteilhaft oder nachteilig – gehören nicht in das Zeugnis.
Personalverantwortliche Ihres künftigen Arbeitgebers werden Ihr Arbeitszeugnis nicht nur aufgrund der Leistungsbewertungen einschätzen, sondern auch anhand der eingehaltenen Formalien. Schlamperei seitens des bisherigen Arbeitgebers könnte als geringe Wertschätzung gedeutet werden.
Zeugnisbestandteile: